Projektarbeit als Beispiel einer teilhabeorientierten Gruppentherapie
In der interdisziplinären ambulanten neurologischen Reha Einrichtung von Prof. W. Fries, in der ich als Physiotherapeutin tätig war, erprobte ich 2000 erstmals das Konzept der „Projektgruppe“, einer Gruppentherapie, in der Patient_innen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen gemeinsam verschiedenen Projekte erarbeiten, wie z.B. einen Info-Ordner mit Adressen für die weiterführende Therapie oder Selbsthilfegruppen zusammenstellen. Mein Ziel war es, unterschiedliche individuelle Ziele, die sich auf das Verbessern motorischer oder kognitiver Parameter bezogen, in ein gemeinsames Projekt ein zu binden. Die positiven Erfahrungen mit dem Konzept führten dazu, dass ich meine Teamkolleginnen von der Idee überzeugen konnte, Projektarbeit als Bestandteil des Therapiekonzeptes aus zu bauen. Das gesamte Praxisteam hat das Konzept der ganztägigen Projektarbeit ausgearbeitet und erfolgreich implementiert (Fries et al. 2005).
Projektarbeit ist als interdisziplinär geführte Gruppen-Intervention zu verstehen, in der die Patient_innen in Bezug zu ihren neuen postmorbiden und auf die Lebensplanung bezogenen Ziele trainieren (Fries et al. 2005). In der wissenschaftlichen Literatur zur neurologischen Rehabilitation zeigt sich, dass Gruppen-oft wirksamer sind als Einzel-Interventionen: S. Seiler diskutiert Wirkmechanismen, Ziele und Verfahrensweisen von Gruppen in der Neurorehabilitation (Seiler 2014). Projektarbeit beinhaltet funktionelles Üben von Teilleistungen und auch, aber nicht ausschließlich, Training im realen Alltag und Lebensumfeld der Patient_innen. Die in der Projektarbeit geübten Aktivitäten beziehen sich auf die selbstbestimmte Teilhabe in ihrem jeweiligen, konkreten und realen sozialen Leben. Im Vordergrund stehen die Selbstinitiierung und -verantwortung.
2 Therapeuten unterschiedlicher Disziplinen moderieren die ganztägige Gruppenarbeit, die losgelöst von dem sonst üblichen Schema (der aneinandergereihten unterschiedlichen Therapien in standardisierten Übungssituationen) stattfindet. Sie umfasst pro Tag eine Vorbereitung,- Durchführungs- und Reflexionsphase. In der Vorbereitungsphase organisiert der Patient/die Patientin die notwendigen Materialien, stellt einen Zeitplan für das Übungsprogramm und die dafür notwendige therapeutische Unterstützung auf. In der Durchführungsphase trainieren die Patient_innen im geplanten Rahmen der bereitgestellten Ressourcen unter therapeutische Supervision, alleine oder mit Partner/in. Die Nachbereitung und Reflexion in der Gruppe ist ein wesentlicher Bestandteil der Projektarbeit. Diese Phase findet am Ende des Tages innerhalb der eigenen Projektgruppe und alle 6 Wochen gemeinsam mit allen Patient_innen und Therapeut_innen der interdisziplinären Einrichtung statt. Am Ende des Projekttages bespricht die Gruppe die bewältigten Aufgaben und den Grad der Zielerreichung, gleichzeitig reflektiert der Patient/die Patientin, wie realistisch die Selbsteinschätzung hinsichtlich Zeit- und Hilfebedarf, Belastungsgrenzen etc. war. Das interdisziplinäre Team tauscht anschließend die Ergebnisse aus und legt nachfolgende Schritte für die weitere Therapie und die Angehörigenbetreuung fest. Ziele, Aufgaben, Grad der Zielerreichung und einflussnehmende Kontextfaktoren werden kontinuierlich, für das gesamte Reha Team einsehbar, dokumentiert. Alle 6 Wochen findet ein Treffen im großen Plenum fest, in dem sich die verschiedenen Projektgruppen und die jeweiligen Patienten anhand eines kurzen Vortrags vorstellen. Dies bietet die Gelegenheit, miteinander ins Gespräch zu kommen und sich gemeinsam über Therapieziele, Trainingsprogramme, Hindernisse, aber auch Erfolge aus zu tauschen und Kontakte zu knüpfen, die Beständigkeit auch über den Zeitpunkt des Therapieendes hinaus zeigen.
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Literatur:
Fries, F., Dustmann D., Fischer S., Lojewski N., Ortner K., Petersen C., Pott, C. … Scholler, I. (2005). Projektarbeit: Therapeutische Strategien zur Umsetzung von ICF und SGB IX in der ambulanten wohnortnahen neurologischen Rehabilitation zur Verbesserung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft“. Neurol Rehabil 2005; 11 (4): 218–226.
Seiler, S. (2014). Psychosoziale Wirkmechanismen und Bedingungen in Gruppentherapien. neuroreha, 06(02), 66–72.
Claudia Pott; Stand Mai 2018