Philosophie

 Teilhabe ist gesetzlich verankert

Das übergeordnete Ziel jeder Rehabilitationsmaßnahme ist nicht das Verbessern funktioneller Parameter, sondern das Wiedererlangen gesellschaftlicher Teilhabe. Gesetzlich verankert ist diese Forderung sowohl im deutschen Sozialgesetzbuch IX, als auch in der UN-Behindertenrechtskonvention. Das Sozialgesetzbuch IX führt im § 4 SGB IX die Ziele der Rehabilitation auf. Es verlangt dort „…die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sowie eine möglichst selbständige und selbstbestimmte Lebensführung ….“. Die Behindertenrechtskonvention fordert die „Inklusion“. Unter den Allgemeinen Grundsätzen (Art. 3) heißt es in der Konvention: „Die volle und wirksame Teilhabe an der Gesellschaft und Einbeziehung in die Gesellschaft“. Es besteht also eine gesetzliche Forderung nach Teilhabe der Menschen, bei denen eine Beeinträchtigung durch eine neurologische Erkrankung droht oder besteht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Beeinträchtigungen der Teilhabe nicht aus einer hierarchischen Ab­hängigkeit von gestörten Funktionen entstehen, sondern aus der Komplexität aller funktionellen Beeinträchtigungen und Kontextfaktoren resultieren (Fries et al. 2007).

Der Teilhabe-Begriff in der neurologischen Rehabilitation

Es mangelt an einer allgemein akzeptierten Definition des Konstrukts Teilhabe und die Operationalisierung bereitet Schwierigkeiten, weil viele weitere Konzepte assoziieren. Inklusion, Lebensgewohnheiten, community integration“ Lebensqualität, Zufriedenheit und Subjektes Wohlgefühl sollten als mögliche Bestandteile einer Teilhabe-Theorie Gegenstand weiterer wissenschaftlicher Untersuchungen werden (Pott 2015). Viele neurorehabilitative Ansätze beziehen sich auf die Teilhabe-Definition in der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit ICF (DIMDI).

Die ICF beinhaltet zwei Teile, mit jeweils 2 Komponenten:

  • Funktionsfähigkeit und Behinderung, mit den Komponenten Partizipation auf Ebene der Gesellschaft und Aktivität auf Ebene der Person
  • Kontextfaktoren, mit den Komponenten personbezogenen Kontextfaktoren und Umwelt-Faktoren.

Definition von Teilhabe in der ICF

Die ICF-Klassifikation stellt Teilhabe dem Aktivitätsbegriff gegenüber und definiert zunächst Aktivität als „die Durchführung einer Aufgabe oder einer Handlung (Aktion) durch einen Menschen“. Partizipation (vom englischen Begriff participation) wird als Synonym für „Teilhabe verstanden und dem Aktivitätsbegriff gegenübergestellt: Partizipation hingegen „ist das Einbezogensein in eine Lebenssituation.“ Das Vorgängermodell, die International Classification of Impairment, Disability and Handicap ICIDH unterschied die Begriffe Impairment (Schädigung), Disability (Fähigkeitsstörung) und Handicap (soziale Beeinträchtigung/ Behinderung). Behindertenverbände initiierten eine positive Umformulierung z.B. Teilhabe statt Behinderung. Die unterschiedlichen Konzepte Fähigkeitsstörung und Behinderung wurden in der ICIDH in zwei Listen kategorisiert. Die aktuelle ICF-Fassung hingegen beinhaltet eine gemeinsame Auflistung in neun Domänen „Aktivität und Partizipation“. Das gemeinsame Auflisten in den neuen Kapiteln erschwert das Differenzieren zwischen Aktivität und Partizipation. Obwohl die Argumente für das Erstellen einer gemeinsamen Liste offen gelegt und diskutiert wurden, bemängeln Rehabilitationsexperten die unzureichende Trennung von Aktivität und Partizipation als Nachteil und favorisieren eine Trennung der Domänen (Pott 2015).

Claudia Pott; Stand: Juni 2018

Literatur:

Pott, C. (2015). Assessments zur Erfassung der Teilhabe in der Neurologischen Rehabilitation, 21 (3): 117–132.

Weiterführende Literatur:

Fheodoroff K. und Pott C. ICF, Clinical Reasoning, Zielvereinbarungen, Team und Assessments. In: Platz, T. (Ed.). Update Neurorehabilitation 2018: Tagungsband zur Summer School Neurorehabilitation. Bad Honnef: Hippocampus

  1. Fries, P. Reuther, H. Lössl Teilhaben!! NeuroRehabilitation und Nachsorge zu Teilhabe und Inklusion2017. Bad Honnef: Hippocampus