Rehasport

Was ist Rehabilitationssport?

Rehabilitationssport ist eine ergänzende Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation und Teilhabe am Arbeitsleben (SGB IX, § 2 und 44). Er ist in einer Rahmenvereinbarung der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation BAR geregelt (BAR, 2011).

Reha-Sport gibt den Teilnehmer_innen die Möglichkeit, langfristig selbstständig und eigenverantwortlich ein Bewegungstraining zu absolvieren. Das stärkt das Gefühl, selbst für die Gesundheit verantwortlich zu sein. Reha-Sport und Funktionstraining finden immer in Gruppen unter der Leitung einer lizensierten qualifizierten Physiotherapeutin (oder Übungsleiterin) und unter ärztlicher Aufsicht statt.

Ziel des Reha-Sports

Patient_innen sollen nach dem Ende der Maßnahmen in der Lage sein, selbstständig weiter zu trainieren. Rehabilitationssport stärkt die Kraft, verbessert die Ausdauer, Koordination und Flexibilität. Übungen an technischen Geräten im Sinne eines Gerätetrainings sind laut Rahmenvereinbarung (s.o.) kein Bestandteil der Leistung.

Verordnung und Leistungsdauer

  • Mediziner_innen (Hausä./Neurol.) verordnen Rehabilitationssport und Funktionstraining bei medizinischer Notwendigkeit auf dem Formular „Muster 56 Antrag auf Förderung von Rehabilitationssport/Funktionstraining“, es enthält:
    • Diagnose + ggf. Nebendiagnosen, falls sie Einfluss auf die Verordnungsnotwendigkeit nehmen
    • Gründe und Ziele des Reha-Sport/Funktionstrainings
    • Dauer und Anzahl wöchentlich notwendige Übungseinheiten gemäß der Richtwerte der Rahmenvereinbarung
  • Vertragsärzt_innen erhalten für das Ausfüllen der Verordnungsformulare ein Honorar (Abrechnungsnummer 01621 EBM – 120 Pkt.)
  • Rehabilitationssport ist nicht als Ersatz für primär notwendige Physio- oder Ergotherapie zu verordnen!

Was unterscheidet Rehabilitationssport vom Funktionstraining?

Rehabilitationssport unterscheidet sich in der Zielsetzung und Durchführung vom Funktionstraining. Reha-Sport dient der allgemeinen Stärkung der Leistungsfähigkeit nach einer Erkrankung. Funktionstraining ist gezielt auf bestimmte körperliche Funktionsdefizite gerichtet.

Zulassung für Übungsleiter_innen und Anbieter_innen

Es gibt mehrere Zulassungswege, Beantragen über:

–           Landesbehindertensportverbände. Der Behindertensportverband hat Verträge mit allen Leistungsträgern der Rahmenvereinbarung (s.o.), inklusive der Deutschen Rentenversicherung Bund; in einzelnen Bundesländern muss die Zulassung aber an gesonderten Stellen beantragt werden, wie der Arbeitsgemeinschaft Rehabilitationssport in Bayern ARGE

–            Reha Sport Deutschland e.V., als einen Dachverband mit bundesweit Verträgen mit Primär- und Ersatzkassen, jedoch nur in 6 Bundesländern (Berlin, Brandenburg, Niedersachsen, NRW, Rheinland-Pfalz, Saarland)

–           Deutschen Verband für Gesundheitssport und Sporttherapie e.V. DVGS, mit bundesweiten Verträgen  mit dem Verband der Ersatzkassen VDEK und landesweite Verträge Primärkassen in vielen Bundesländern. Der DVGS unterstützt die wissenschaftliche Evaluation von Programmen. Das Fachmagazin „Bewegungstherapie und Gesundheitssport ist im Mitgliedsbeitrag enthalten.

In eigener Sache

Angebot und Nachfrage gesteuert durch die Kostenträger

Auf dem IRR-Reha-Kongress in München 2015 referierte Herr Moldenhauer des GKV-Spitzenverbandes, dass die Ausgaben für Rehabilitationssport und Funktionstraining von 76 Mio. in 2008 bis zu 189 Mio. in 2013 gestiegen seien, die Ausgaben für Heilmittel sind von 2004–2013 jedoch nur von 3,76 auf 5,47 Milliarden gestiegen. Es stellt sich die Frage, ob Reha Sport für die Kassen ein günstiger „Verschiebebahnhof“ ist? Eine kritische Prüfung, welche Bewegungsprogramme für welche Gruppen von Menschen von welchem Kostenträger finanziert werden muss, wo gegebenenfalls private Mittel gefordert werden können und wo notwendige Angebote Betroffenen vorenthalten werden ist unabdingbar. Denn wir haben ein großes Angebot für Menschen mit kardialen- oder orthopädischen Erkrankungen, jedoch einen eklatanten Mangel an Rehasportgruppen für die Neurologie. Die derzeitigen Zulassungs- und Vergütungs-Strukturen verhindern das Implementieren von flächendeckenden Nachsorge-Angeboten für neurologisch Erkrankte.  Auf der Messe „Therapie“ in Leipzig stellte Herr Gerkens, vom Verband der Ersatzkassen VdEK Abteilung Gesundheit eine besondere Vergütung für Reha Sport bei Neurologisch Erkrankten in Aussicht. Dafür und um andere Kostenträger für das Thema zu sensibilisieren, ist sicherlich ein Verzahnen der Akteure notwendig.  In meinen Augen könnte dies eine Arbeitsgruppe bestehend aus Vertreter_innen der Selbsthilfegruppen (MS, Schlaganfall, Parkinson), der physiotherapeutischen Berufsverbände, der „Reha Sportverbänden“ Kostenträger und der Politik leisten.

Qualifikation

Ich kann nicht nachvollziehen, dass Physiotherapeut_innen mit abgeschlossener Berufsausbildung, mehrjähriger Berufserfahrung in spezifischen Diagnosebereichen und/oder akademischer Qualifikation einen Lehrgang besuchen müssen. Durch das Akzeptieren dieser Vorgabe, werten wir unsere Qualifikationen ab. Mein Anerkennungsantrag, in dem ich meine Kompetenzen dargelegt habe, wurde vom Behinderten- und Rehabilitations-Sportverband (BVS) Bayern e.V. in kurzer Zeit bewilligt. Ich bin mir sicher, dass dies vielen guten Kolleg_innen ebenfalls gelingen sollte. Die Forderung nach Lizenzerneuerung z.B. durch den Deutsche Behindertensportverband (DBS) ist in meinen Augen nicht vorrangig dadurch motiviert, die Qualität zu gewährleisten, sondern beruht in meinen Augen auf ökonomischen Interessen (Einnahmen durch Lehrgänge).

Dieses Statement wurde als Leserinnenbrief in der Zeitschrift physiopraxis (Thieme Verlag) 2016 veröffentlicht).

Claudia Pott; Stand Mai 2016